Internetsperre – Keine Opferung von Bürgerrechten für Zensurinstrumente

Veröffentlicht am 10.04.2010 in Beschlüsse

Beschlossen von der SPD Mitgliederversammlung am 16.10.2009.

Empfänger: SPD Landesparteitag
Antragsteller: Juso KV Freiburg

Am 18.06.2009 beschloss der Deutsche Bundestag mit den Stimmen der großen Koalition das Setzen von Stoppschildern auf Internetseiten mit kinderpornographischem Material. Die Mehrheit der SPD Fraktion im Deutschen Bundestag stimmte der „Internetsperre“ gegen die Widerstände in der eigenen Partei und der Fraktion sowie gegen den Rat von Experten zu.

 


Durch das Setzen von Stoppschildern soll der Zugang zu Kinderpornografischen Inhalten erschwert werden. Dieses Mittel ist im Kampf gegen Kinderpornografie nicht nur ungeeignet, sondern schafft in seiner jetzigen Form ein stark missbrauchsanfälliges Instrument.

Die Internetsperre setzt bei den DNS-Servern ein. DNS-Server sind, vereinfacht gesprochen, Telefonbücher im Internet. Wenn ein Internetnutzer eine Seite aufrufen will, schickt er automatisch eine Anfrage an einen DNS-Server, der ihn dann auf die gewünschte Seite weiterleitet. Ist diese durch die Internetsperre indexiert, wird der Nutzer auf das Stoppschild weitergeleitet. Die ursprüngliche Seite bleibt unangetastet. DNS-Server gibt es hunderte und sind zum Teil frei verfügbar. Der Nutzer kann sich diese frei aussuchen und so z.B. einen ungefilterten Server aus den USA verwenden. Die Internetsperre ist somit wirkungslos. Die Umstellung am eigenen PC bedeutet einen Aufwand von 20 Sekunden. Anleitungen dazu gibt es bei Google und YouTube dutzende. Zudem haben Erfahrungen in Australien gezeigt, dass Filterinstrumente, wie die Internetsperre, die Geschwindigkeit des Internet erheblich reduzieren und zwar umso stärker je mehr gefiltert wird. Eine Analyse der bereits schon im Ausland eingesetzten Filter zeigte, dass alle Provider zu viel filterten und viele gleichzeitig zu wenig.

Ein Großteil des Material steht auch gar nicht einfach nur zum downloaden im Internet, sondern wird über Tauschbörsen oder physischen Datenträger gehandelt. Hiergegen ist die Internetsperre keine Handhabe.

Die Diskussion um die Internetsperre ist durch viele Unwahrheiten geprägt, so begründete Familienministerin Ursula von der Leyen das Gesetzt mit dem großen Erfolg von Internetsperren in anderen Ländern und damit, dass es im Internet einen millionenschweren Markt für Kinderpornografie geben würde. Eine Anfrage der FDP im Bundestag hat dies widerlegt, indem dort festgestellt wurde, dass die Regierung dazu keinerlei Informationen gesammelt hat und daher unklar ist, worauf sich von der Leyens Aussagen beruhen.

Als Alternative zur Intersperre gilt das Prinzip „Löschen vor Sperren“. Eine Sperrung der Seiten ist den meisten Fälle überhaupt nicht nötig. Häufig ist den Provider nicht bekannt, dass sich solches Material auf ihren Server befindet, da diese durch einen Hack dorthin gebracht wurden. Mit einem einfachen Anschreiben, werden die kinderpornografischen Inhalte in der Regel nach Minuten von den Providern von selbst und freiwillig gelöscht, ohne das weitere rechtlichen Schritten zur Löschung der Inhalte eingeleitet werden müssen. Dieses Prinzip funktioniert auch für Provider im Ausland, denn Kinderpornografie ist nicht nur Deutschland, sondern auch in weiten Teilen des Auslands illegal. Bisher geht das BKA den Umweg über andere nationalen Behörden bzw. Interpol, um Provider zu informieren, dass sich solches Material auf ihren Server befindet. Ein direktes Informieren der Provider empfindet das BKA als Eingriff in fremde Hoheitsbereiche, was u.a. zur Begründung des Gesetzes herangezogen wurde. Ein Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestags hat allerdings gezeigt, dass dieses nicht zutrifft. Das BKA ist sowohl berechtigt ausländische Provider über solche Inhalte zu Informieren. Häufig wird bewusst verschwiegen, dass bereits entdecke Seiten im Netz gelassen werden, um Nutzer zu entdecken, die diese Seiten besuchen. Hier gilt für das BKA traurigerweise Tätersuche vor Opferschutz. Im Moment schaffen Internetaktivisten und Jugendschütze das, was BKA nicht kann oder willens zu tun ist. Eine von den Bundesländern getragene Initiative Jugendschutz.net ist es mit einem einfachen Anschreiben gelungen, in 80% aller Fälle zu erreichen, dass Kinderpornografischen gelöscht werden. Interessant ist dabei auch, es im Bereich des internationalen Bankbetrugs, den Ermittlern es möglich ist so genannten Phising-Seite innerhalb vier Stunden aus dem Internet zu nehmen, während es bei Seite mit Kinderpornografie zum Teil Wochen dauert, bis diese entfernt werden. Statt der Forderung nach Zensurinstrumenten muss hier ein Umdenken des BKAs gefordert werden. Denn Anbetracht dieser Informationen und der Tatsachen, dass das Konzept aus dem Innenministerium stammte, lässt die Vermutung zu, dass es bei Internetsperre in erster Linie nicht um den Opferschutz und der Bekämpfung der Kinderpornografie geht, sondern um die Kompetenzerweiterung des BKA. Außerdem besteht die Gefahr mit der Internetsperre, dass nun nur noch gesperrt, statt gelöscht wird. Denn dies ist einfacher.

Der Bundestag hat mit der Internetsperre ein gefährliches Instrumente zur Zensur geschaffen, die bereits jetzt Begehrlichkeiten weckten, die Sperre auf andere Bereiche ausdehnen und das nicht auf die umstrittenen Killerspiele und Urheberverletzungen, wie es Union fordert. SPD-Innenexperte Dieter Wiefelspütz schlägt schon jetzt vor die Internetsperre auch auf politische Inhalte auszudehnen. Die Infrastruktur dafür besteht bereits damit. Aussagen, wie die des Informatikers Prof. Hannes Federrath von der Universität Regensburg, dass wir von China und Iran lernen müssen, machen die Gefahr deutlich.

Der juristisch einigermaßen sichere Weg über Verfügungen durch Aufsichtsbehörden oder Gerichte wurde wegen seiner Länge und Aufwändigkeit abgelehnt. Das Bundeskriminalamt (BKA) ist nun ermächtigen, ermittelte Kinderporno-Seiten unmittelbar durch Eintrag in eine Liste sperren zu lassen, die werktäglich an Provider übermittelt wird. Als Kontrollinstanz dient als einziges der Bundesdatenschutzbeauftragter Peter Schaar, der diese Funktion selbst ablehnt, da er die Neutralität seiner Behörde gefährdet sieht. Aktuell gibt es keine demokratische Kontrolle der vom BKA geführten Listen.

Forderungen:

  • Die Mitgliederversammlung der SPD Freiburg setzt sich für das Mittel „löschen statt sperren“ im Kampf gegen Kinderpornografie ein, um kinderpornografische Inhalte langfristig zu entfernen. 
  • Bevor weitere neue Instrumenten für das BKA geschaffen werden, muss überprüft werden, ob dazu überhaupt die Notwendigkeit besteht, sprich die gewünschten Ziele nicht mit den bereits vorhanden Mittel erreicht werden können und diese vorhanden Mittel auch genutzt werden. Hier gilt Effizienzsteigerung alter Mittel vor der Schaffung neuer. Alle neue Mittel müssen der demokratischen und bzw. oder der jurischen Kontrolle unterliegen. Die Schaffung von Zensurinstrumenten ist dabei abzulehnen.

Kinderpornografie ist ein Verbrechen und muss geächtet und bekämpft werden, aber mit sinnvollen und wirksamen Mitteln, anstatt kurzfristiger und unüberlegter Gesetze zu schaffen, die größeren Schaden als Nutzen mit sich bringen.

Begründung:

Als eine Partei, die selbst unter Zensur und Verfolgung zu leiden hatte, sollte der SPD die Wichtigkeit von Bürgerrechte eigentlich bekannt sein. Aber dennoch drückte sie in ein CDU Konzept von der Ursula von der Leyen durch. Wir haben nicht nur ein Mittel geschaffen, die die zukünftige Gefahr der Einschränkung der Meinungsfreiheit bedeuten könnten, sondern nähern uns auch den Grenzen der Rechtsstaatlichkeit.

 

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